Schumanns Phantasie
Ballett von Alexandre Sementchoukov nach Musik von Robert Schumann und Alexander Trinko

Einen kurzen Lebenslauf von Robert Schumann finde sie hier.

DIE HANDLUNG DES BALLETTS 

1. AKT 
Der Kampf Robert Schumanns mit Friedrich Wieck um die Liebe zu Clara 

Robert Schumann 1854 in der Nervenheilanstalt Endenich bei Bonn. Er erinnert sich daran, wie er von der Jurisprudenz, die er in Heidelberg studiert hatte, Abschied nahm, um sich der Musik zuzuwenden: 

„Mein hochverehrter Lehrer Friedrich Wieck, 
ich bleibe bei der Kunst, ich möchte dabeibleiben, ich will es und ich muss. Tränenlos verabschiede ich mich von der Wissenschaft, die ich nicht lieben, kaum achten kann. 
Doch nicht ohne Angst schaue ich auf den langen Weg, der mich zu meinem jetzt gesetzten Ziel führt. 
... Hochverehrter! Nehmen Sie meine Hand und führen Sie mich; ich folge Ihnen, wohin Sie wollen, und niemals möchte ich die Binde von den Augen reißen, um vom Glanz nicht geblendet zu werden. So glauben Sie mir doch, ich möchte es mir verdienen, Ihr Schüler genannt zu werden.“ 

Mit seiner Musik zaubert Robert Schumann Erinnerungen herbei. Er denkt an jene Zeit, als Clara Wieck, die hochbegabte Tochter des Klavierlehrers, das Wunderkind, noch ganz klein war. Es war innige Zuneigung, die die beiden miteinander verband, aber noch keine Liebe:

„Liebe Clara! Ich denke oft an Sie, wie ein Pilger an ein fernes Altarbild. wärend Ihrer Abwesenheit war ich in Arabien, um alle Märchen zu erzählen, die Ihnen gefallen könnten: sechs neue Geschichten mit Doppelgängern, 101 Scharade, acht heitere Rätsel und dann: in Schrecken versetzende, herrliche Geschichten von Räubern und vom Geist aus der Flasche!” 

Die kleine, heraufbeschworene Clara hört der Geschichte gern zu, doch sie wird von ihrem Vater, der die ganze Gesellschaft seiner Stadt hinter sich hat, gehindert, länger bei Schumann zu spielen. 
Vater Wieck hat die Macht, seine Tochter, mit sich zu ziehen. Schumann kann nur tatenlos zusehen und quält sich: 

„Meister Raro! Ich erkenne dich dein Treiben ist weiter nichts als ein jüdisches Benehmen, deine Begeisterung nichts, wenn sie kein Viergroschenstück in der Tasche herumdrehen kann, dein feuriges Auge ist nicht ruhig und schielt nach der Geldkasse, selber deine Liebe zu Clara ist nicht rein. Du wärst der erbärmlichste der Schurken, hätte Clara kein Talent.“ 

Robert Schumann, der nicht nur als Pianist eine Ausbildung nahm, sondern als Kritiker und Herausgeber musikalischer Schriften wirkte, weiht in die Geheimnisse seines Tagesbuches ein. Dort hat er Verbündete beschrieben und Möglichkeiten, wie man gemeinsam in der Welt auftreten sollte. Um Menschen zu charakterisieren, gibt er ihnen neue Namen, auch sich selbst. Mit seinem Pseudonymen unterzeichnet er Artikel. Friedrich Wieck ist für ihn Meister Raro“: 

„Hier sei eines Bundes erwähnt, der ein mehr als geheimer war, der nämlich nur in dem Kopf seines Stifters existierte, der Davidsbündler. 
Ganz neue Personen treten von heute an auf zwei meiner besten Freunde, die ich jedoch noch nie sah Florestan und Eusebius. Sie sind meine Doppelnatur, die ich gern verschmelzen möchte zu einem Mann wie Raro
‚Versammelte Davidsbündler, Jünglinge und Männer, die ihr totschlagen sollet die Philister, musikalische und sonstige! Die Dutzendtalente, die geschickten Vielschreiber und die, für welche die Kunst nur ein Spiel ist und nicht das Echo der großen Lebensfragen!‘“ 

Zu Schumanns Lebensfragen gehört die Verbindung mit Clara. Der Widerstand des Vaters, der sich gegen ihn (als Schumann, als Florestan und als Eusebius) durchsetzt, nimmt ihm viel Kraft:

„Fantasiere ich am Klavier, so werdens Choräle, schreib ich, so geschieht’s ohne Gedanken, nur einen möchte ich überall mit großen Buchstaben und Accorden hinmalen: Clara.” 

Er versucht immer wieder, dem Mädchen näher zu kommen, doch er kann es nicht fassen.
Als Clara etwas größer geworden ist, entwickelt sich aus der Zuneigung auch bei Clara eine tiefe Liebe, die sie ihm zeigt. Doch noch immer wendet sich Claras Vater gegen die Verbindung der jungen, wundervollen Pianistin mit Robert Schumann. Er hat die Macht, sie von ihm fortzuholen. 
Robert schreibt am 13. September 1837, dem 18. Geburtstag Claras, einen Werbebrief an Claras Vater: 

„Es ist nicht die Aufregung des Augenblicks, keine Leidenschaft, nichts Äußeres, was mich an Clara hält mit allen Fasern meines Daseins, es ist die tiefste Überzeugung, dass selten ein Bündnis unter so günstiger Übereinstimmung aller Verhältnisse ins Leben treten könne, es ist das verehrungswürdige hohe Mädchen selbst, das überall Glück verbreitet und für unseres bürgt. Seien Sie segnend, einem Ihrer ältesten Freunde wieder Freund und dem besten Kinde der beste Vater.” 

Claras Vater entspricht dem Wunsch des jungen Paares nicht. Stattdessen tritt er Robert mit der Gewalt seiner Begleitung entgegen. Ein Kräftemessen findet statt, in dem auch Clara ihren Vater bittet, mit Schumann leben zu dürfen, doch Wieck setzt sich erneut durch. Clara hin- und hergerissen geht mit dem Vater. 
Robert erleidet die Niederlage gegen den Lehrer, aber gibt nicht auf. Mit einem großen Solo sucht er die Verbindung zu den schwarzen Kräften. Er versichert sich der Unterstützung Florestans und Eusebius‘, und schließlich kehrt auch Clara wieder zurück. 
Als der Vater mit seiner ganzen Macht erneut die Verbindung der beiden verhindern will, entscheidet sich Clara für Schumann, den sie herzlich liebt. Robert macht ihr am 8. Juni 1838 eine Erklärung: 

„Ich bin heute in mein neunundzwanzigstes Jahr getreten, vielleicht schon die größte Hälfte von meinem Leben liegt hinter mir. Du bist es, die mir Frieden und Heilung bringen wird. Ich will Dich hochhalten wie eine Trophäe, die ich mir im schwersten Kampfe errungen, und dann wohl Dich auch wieder pflegen wie ein Wunderblümchen, das nicht jeder am selben gewöhnlichen Tage findet. “ 

Dem glücklichen Bekenntnis folgt am 12. September 1840 nach Gerichtsentscheid gegen Wieck .- einen Tag vor Claras 21. Geburtstag die Hochzeitsfeier! Als Gäste erscheinen Figuren, die Schumann selbst erdachte, Figuren, die in seinem op. 9, dem Carnaval auftreten. Zur Hochzeit stellen sich die Mitglieder der Gesellschaft als Karnevalsfiguren schon einmal vor. 
Doch dann wird sich Robert bewusst, dass er die Figuren nur in seiner Phantasie sieht - er ist allein. 

- PAUSE – 

2. AKT 
Carnaval 

Wir begegnen den Figuren, wie wir sie vor der Pause verlassen haben. Langsam beginnt Schumanns Wahn. Er hört Stimmen, ist überarbeitet. Ruppert Becker, der Konzertmeister des Düsseldorfer Orchesters, beschreibt Robert Schumanns ersten Selbstmordversuch vom 27. Februar 1854: 

„Schumann hatte sich mittags 2 Uhr aus seiner Schlafstube geschlichen (in Filzschuhen) und war direkt nach dem Rheine zugegangen, von wo aus er sich, in der Mitte der Brücke, in den Fluss stürzte! Glücklicherweise war er schon am Eingang der Brücke aufgefallen, und zwar dadurch, dass er, da er kein Geld bei sich hatte, sein Taschentuch als Pfand abgab! Mehrere Fischer, die ihn deshalb mit den Augen verfolgten, nahmen, sogleich nach dem Sprung, einen Kahn und retteten denselben glücklich. Vom Kahn aus soll er noch einmal versucht haben, ins Wasser zu springen, woran ihn die Fischer hinderten. Fürchterlich muss sein Heimweg gewesen sein; transportiert von 8 Männern und einer Masse Volks (es war Carnaval), das sich nach seiner Weise belustigte.” 

Robert Schumann ist noch einmal gerettet worden, doch seine Phantasie erhebt ihn in höchste Höhen. Er schwebt über dem durch sie geschaffenen Carnaval. Auf der Erde wird getanzt, gelacht, eben Karneval gefeiert. 

Zunächst tanzen alle Karnevalsfiguren gemeinsam.

Es folgt ein Auftritt des Pierrot mit den Papillons, den kleinen Schmetterlingen. Ihnen schließt sich ein Tanz der Estrella an, die gemeinsam mit Florestan und Eusebius, also Schumann in seiner Doppelgestalt, tanzt. 
Die Männer des Corps de ballet begleiten Coquette, bevor sich wieder alle auf der Bühne vereinen und erneut auch die kleinen Schmetterlinge wieder tanzen. 
Sodann erleben wir den Traum der Chiarina, ein Pas de deux mit einem jungen Mann.
Dem Tanz von vier Paaren folgt der Auftritt zweier ganz typischer Figuren der italienischen Commedia: Pantalone und Colombine.
Danach haben die Spaßmacher schlechthin ihr Solo: Arlequin und seine Arlequina.
Die beiden wechseln sich ab mit einer weißen Dame, die von den Männern des Corps de ballet hofiert wird. 
Noch einmal tanzt Pierrot ausgelassen mit den Papillons, bevor sich im Finale des Karnevals alle Figuren vereinen.

Robert Schumann kehrt mit dem Ende des Carnavals aus den Höhen seiner Phantasie zurück. Sein Ende deutet sich an. Doch treu wartet Clara auf ihn. Robert: 

„Die Menschen singen von ferne einen Choral kennst Du die zwei, die sich lieben? 
Wie wir glücklich sind Clara, lass uns niederknien! Komm, meine Clara, ich fühle Dich unser letztes Wort nebeneinander dem Höchsten… 

Ein letztes Pas de deux von Clara und Robert Schumann. Wie eine Erinnerung tanzen die Figuren, die im Leben eine besondere Rolle gespielt haben, noch einmal über die Bühne, bevor das Paar schmerzlich zum letzten Mal voneinander Abschied nimmt. 
In Endenich ist Schumanns in seiner Welt der Phantasie allein.


 


(Zitat Programmheft zum Stück)

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